Stand: 15. Februar 2022

Am 10.12.2021 hat der Deutsche Bundestag die sog. „einrichtungsbezogene“ Impfpflicht für bestimmte Gesundheitseinrichtungen beschlossen. Das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention sieht vor, dass in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen geimpft oder genesen sein, oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen COVID-19 besitzen müssen. Es handelt sich daher nicht um eine tatsächliche Impfpflicht, als vielmehr um eine faktische Vorlagepflicht über einen Immunitätsnachweis. Dieser Beitrag beleuchtet die neue Regelung und dessen vermeintliche arbeitsrechtlichen Schwächen.

1. Begriff „Einrichtungen“ und „Unternehmen“

In den Anwendungsbereich der Regelung einbezogen sind die Beschäftigten der in § 20a I IfSG abschließend aufgezählten Einrichtungen und Unternehmen. Dabei handelt es sich um Einrichtungen des Gesundheitswesens, die zum Schutz besonders vulnerabler Personengruppen verpflichtet werden, von den Beschäftigten einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber zu verlangen, dass bei diesem eine Kontraindikation gegen die Impfung vorliegt. Ob zu den „Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe“ auch Praxen alternativmedizinischen Praktikern (wie bspw. Heilpraktikern) zählen bleibt offen, dürfte allerdings insbesondere in Hinblick auf den nicht zu versagenden Gesundheitsbezug zu bejahen sein. Erforderlich ist, soweit sich die Person nicht in der Einrichtung als Patient, betreute, gepflegte oder sonst untergebrachte Person aufhält, dass sie im Falle eines Tätigwerdens genesen oder geimpft (i.S.d. „2G“-Regelung) oder auf Grund einer medizinischen Kontraindikation den Genesenen und Geimpften gleichgestellt ist. Die eben genannten Personengruppen rund um die in den entsprechenden Einrichtungen gepflegten und betreuten Personen sind gem. § 20a VI IfSG von der Nachweispflicht ausgenommen.

Fraglich ist jedoch, was genau unter dem zugegeben recht konturlosen Begriff des „tätig werden“ zu verstehen ist. Tätig ist eine Person, wenn sie regelmäßig und nicht bloß vorübergehend (s.o.) ihre Arbeitsleistung erbringt. Es fehlt allerdings ein genauer Hinweis darauf, was unter „vorübergehend“ zu verstehen ist. Unter Berücksichtigung der aktuellen Vorgaben des Robert-Koch-Instituts zur Kontaktnachverfolgung dürfte ein enger Kontakt jedenfalls bei einer Begegnung von mehr als 10 Minuten vorliegen.

Die Art der Beschäftigung ist nach den Erwägungen des Bundesgesetzgebers nicht von Bedeutung, sodass auch bestellte Betreuer, freie Mitarbeiter, Friseure oder (Schüler-/Pflege)-Praktikanten bzw. FSJ‘ler unter das Tatbestandsmerkmal fallen können. Einschränkungen sind dem Sinn und Zweck nach allerdings dann geboten, wenn jeglicher Kontakt zu gefährdeten Personengruppen ausgeschlossen werden und auch kein regelmäßiger Kontakt zum behandelten Personal bestehen kann.

In Streitfällen ist unbedingt eine Rücksprache mit dem zuständigen Gesundheitsamt zu empfehlen.

2. Nachweispflicht und Meldepflicht nach § 20a IfSG

Die von § 20a I IfSG erfassten bisherig beschäftigten Arbeitnehmer haben der Leitung ihres Arbeitgebers bis zum 15.03.2022 einen entsprechenden Immunitätsnachweis oder eine entsprechende Freistellung auf Grund einer Kontraindikation gegen die Impfung vorzulegen. Soweit der Impfstatus des Beschäftigten auf Grund der Anwendung der 3G-Regel des § 28b I IfSG dem Arbeitgeber bereits bekannt ist, spricht nichts dagegen, die bereits erhobenen Daten auch auf die Voraussetzungen des § 20a IfSG anzuwenden. Die Leitungen der betroffenen Einrichtungen und Unternehmen haben die weiterführende Pflicht, diejenigen Beschäftigten, die dieser gesetzlichen Tätigkeitsvoraussetzung nicht – oder wenn inhaltliche Zweifel an den Nachweisen bestehen – nachkommen, an das jeweils zuständige Gesundheitsamt zu melden. Läuft die Gültigkeit eines Nachweis nach dem 16.03.2022 aus, hat der Beschäftigte innerhalb eines Monats nach Ablauf einen neuen Nachweis vorzulegen.

Ein Verstoß gegen die Nachweispflicht ist mithin bußgeldbewehrt. Adressat eines entsprechenden Entgelts ist die Betroffene Einrichtung bzw. das betroffene Unternehmen. Das Gesundheitsamt kann in den Fällen, in denen Zweifel über das tatsächliche Vorliegen einer Kontraindikation bestehen, eine ärztliche Untersuchung anordnen und bei fehlender Mitwirkung bzw. fehlendem Nachweis ab dem 16.03.2022 ggf. Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbote erlassen.

3. Mögliche arbeitsrechtliche Sanktionen bzw. Nachteile

Die Neuregelung des § 20a IfSG wirft gerade im Bereich des Arbeitsrechts und des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer teils enorme Probleme auf. Für nicht geimpfte, aber potentiell impfbare Arbeitnehmer geht es, sollten sie sich auch weiterhin nicht impfen lassen, um ihre Entgeltansprüche und auch bis zum Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses – mit anderen Worten als um ihre wirtschaftliche Existenz.

3.1. Lohnfortzahlung an den Arbeitnehmer

Der im Arbeitsrecht einprägsame Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn!“ dürfte auch hier Wirkung entfalten, sofern keine gesetzliche oder vertragliche Ausnahmeregelung im Arbeitsverhältnis zum Tragen kommt. In der Gesetzesbegründung zu § 20a IfSG heißt es zu Personen, die keinen entsprechenden Nachweis gem. § 20a I S. 1, S. 2 IfSG vorweisen, dass: „im Ergebnis […] für diesen Personenkreis die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers [entfällt]“. Tatsächlich ist fraglich, ob Ausnahmen vom Grundsatz vorliegend einschlägig sein könnten.

Dies erscheint zweifelhaft. Hat der Arbeitnehmer seine Leistung angeboten, der Arbeitgeber war aber zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, die angebotene Leistung anzunehmen, können Arbeitnehmer gem. § 615 S.1 BGB die Zahlung der vereinbarten Vergütung verlangen. Im Fall einer Nichtleistung auf Grund eines fehlenden Immunitätsnachweises dürfte dies aber regelmäßig (mögliche Ausnahme könnte das Home-Office darstellen) nicht der Fall sein. Ein Annahmeverzug des Unternehmers kommt aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch nicht in Betracht.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer gem. § 616 BGB „vorübergehenden Verhinderung“ des Arbeitnehmers. Demnach besteht ein etwaiger Vergütungsanspruch (ungehindert der Nichterbringung der Arbeitsleistung fort), wenn der Arbeitnehmer für eine nicht erhebliche Zeit an der Dienstleistung gehindert wird und der Grund dafür in seiner Person liegt, aber ohne sein Verschulden eingetreten ist. Ob der Arbeitgeber den Grund zu vertreten hat, kann vorliegend jedoch dahinstehen, da ein verfügtes Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbot regelmäßig weit über eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit hinaus aufrechterhalten bleiben dürfte.

Möglicher Anknüpfungspunkt für den bestehenden Vergütungsanspruch ist die Lehre vom Betriebsrisiko gem. § 615 S. 3 BGB. Jedoch dürfte in dem Fall, wo der Arbeitnehmer aufgrund eines Immunität nach es ist nicht in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kein klassischer Fall eines dem Arbeitgeber zuzuschreibenden Risikos des Arbeitsausfalls (des Arbeitnehmers) gegeben sein.

3.2. Kündigung und Abmahnung durch den Arbeitgeber

Fraglich erscheint zuletzt, ob auch die Möglichkeit einer Kündigung in Betracht kommt, wenn Beschäftigte konsequent den Immunitätsnachweis nicht vorlegen, oder schlicht nicht vorlegen können und auf Grund eines wirksamen Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbot nicht arbeiten können. Grundsätzlich wird auf eine sog. Negativprognose abzustellen sein. Voranzustellen ist, dass die betroffenen Unternehmen und Einrichtungen selbstverständlich keine Arbeitsverhältnisse aufrechterhalten müssen, in denen keine Arbeitsleistung zu erwarten ist. Allerdings gilt die Regelung des § 20 a IfSG zeitlich befristet und wird mit Ablauf des 31.12.2022 nach dem derzeitigen Stand der Gesetzgebung komplett aufgehoben. Störungen im Arbeitsverhältnis treten somit nicht auf unbestimmte Zeit ein. Eine Kündigung auf Grund eines fehlenden Immunitätsnachweises ist daher vom Einzelfall und nicht zuletzt von der Dauer der individuellen Kündigungsfrist abhängig. Besonders problematisch wird es, wenn die Störung des Arbeitsverhältnisses während der Kündigungsfrist entfällt, mithin der betroffene Beschäftigte erkrankt und daraufhin als genesen gilt.

Weiterhin könnten Abmahnungen durch den Arbeitgeber ein probates Mittel darstellen. Dafür müsste ein Verstoß gegen eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegen. Nachdem der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung die „Freiwilligkeit der Impfentscheidung“ betont hat, kann man eine arbeitsvertragliche Pflicht und einen damit einhergehenden Verstoß wohl verneinen. Abmahnung dürften also kein Mittel sein, was Arbeitgeber vorliegend einsetzen können.

4. Fazit

Im Fall der zum 16.03.2022 in Kraft tretenden einrichtungsbezogene Impf- und Nachweispflicht besteht zunächst in die betroffenen Einrichtungen und Unternehmen für die betroffenen Arbeitnehmer, die keine Immunitätsnachweise bzw. entsprechende Freistellung aufgrund einer Kontraindikation gegen die Impfung vorlegen, eine Pflicht seitens des Arbeitgebers eine entsprechende Mitteilung dem zuständigen Gesundheitsamt zu übermitteln. Dies gilt auch wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Nachweise hat. Die Meldung an das Gesundheitsamt hat unverzüglich zu erfolgen (vgl. § 20a Abs. 2 S. 2 IfSG). Da die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Gesundheitsamt im Fall eines Verstoßes bußgeldbewehrt ist, ist Arbeitgebern dringend zu empfehlen, die notwendigen Mitteilung gegenüber dem Gesundheitsamt zu erteilen. Es ist dann an dem Gesundheitsamt zu entscheiden, in wieweit bei den betroffenen Arbeitnehmern ein Tätigkeit-bzw. Aufenthaltsverbote ausgesprochen wird. Insoweit bleibt es dem Arbeitgeber, nachdem er seiner Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt nachgekommen ist, weiterhin möglich, die vom Arbeitgeber angebotene Arbeitsleistung anzunehmen. Eine andere Situation dürfte sich für Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer geben, wenn durch das zuständige Gesundheitsamt ein Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverbot ausgesprochen wird.

Ob und inwieweit das zuständige Gesundheitsamt tatsächlich von eigenem Verwaltungshandeln durch Ausspruch von Tätigkeits- bzw. Aufenthaltsverboten Gebrauch macht, bleibt abzuwarten. Hier fehlt es derzeit in einer Vielzahl von Bundesländern, welche die einrichtungsbezogene Impf- und Nachweispflicht auf Landesebene durchzusetzen haben, an den notwendigen landesspezifischen Regelungen und Verfahren.