Stand: 10. Februar 2023

Bislang bezeichnete das Kabinett den Schutz für Whistleblower in Deutschland als „lückenhaft und unzureichend“. Mit knapp einem Jahr Verspätung der Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie (Umsetzungsfrist war der 17.12.2021) und einem laufendem Vertragsverletzungsverfahren hat der Bundestag am 16.12.2022 in der letzten Sitzung des Jahres das Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet. Der Gesetzesentwurf der Vorgängerregierung unter der Federführung der ehemaligen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht war an Meinungsverschiedenheiten zwischen der Unionsfraktion und der SPD gescheitert.

Sachlicher Anwendungsbereich

Der jetzt beschlossene Gesetzentwurf geht über die Zielvorgaben der Richtlinie hinaus. Anders als in der Richtlinie vorgesehen, können Hinweisgebende nicht nur Verstöße gegen EU-Recht abgesichert melden, sondern auch bestimmte Verstöße gegen nationale Gesetze. In Abweichung zum früheren Referentenentwurf finden sich im aktuellen Gesetz weniger nationale Tatbestände, als noch unter Lambrecht. Nichtsdestotrotz wird das Gesetz überschießend umgesetzt und bestimmte ordnungsrechtliche Regelungen, die bußgeldbewehrt sind und dem Schutz des Lebens, Leib oder Gesundheit dienen oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten finden sich im nationalen Hinweisgeberschutzgesetz wieder. Ausgenommen sind Meldungen, die zwar ein potentielles erhebliches Fehlverhalten aufzeigen können, dessen Aufdeckung im öffentlichen Interesse liegen würde, das aber nicht klar illegal ist. Damit bleibt das Gesetz laut Kritikern hinter den sich aus dem Koalitionsvertrag ergebenden Absichten zurück.

Eine letzte beachtliche Änderung hat es kurz vor der Einreichung in den Bundestag in den Gesetzestext geschafft. Wohl nicht zuletzt durch die aufsehenerregende bundesweite „Reichsbürger-Razzia“. Mit Einführung können Whistleblower „Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen“ melden und zwar auch dann, wenn diese unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen. Dies ist in der Tat eine überraschende Ausnahme von dem Anwendungsbereich des Gesetzes. Nicht zuletzt befürchten Kritiker dadurch eine Befeuerung von Denunziationen.

Persönlicher Anwendungsbereich

Das Gesetz gilt, wie bereits auch hier in früheren Beiträgen schon erwähnt, für Privatunternehmen und für den öffentlichen Dienst. Ab 50 Mitarbeitern müssen interne Meldestellen eingerichtet werden, wobei nach wie vor die Möglichkeit besteht, diese an externe Dienstleister zu delegieren. Interne wie externe Meldestellen müssten in überraschender Abweichung zu den bisherigen Entwurfsfassungen ab 01.01.2025 die Möglichkeit der anonymen Meldung und der nachfolgenden anonymen Kommunikation mit dem Hinweisgeber bereitstellen. Die Verarbeitung von anonymen Meldungen ist mithin zur Pflicht ausgestaltet worden, dagegen war sie in den Entwurfsfassungen bloß empfohlen worden.

Zustimmung im Bundesrat

Zuletzt bleibt abzuwarten, ob das beschlossene Gesetz im Bundesrat ausreichend Unterstützer findet. Dort braucht es nämlich auch die Zustimmung der Länder, in denen die Unionsparteien mitregieren. Der aktuelle Gesetzesentwurf geht, wie bereits festgestellt, inhaltlich weiter, als der ursprüngliche Vorschlag, der ebenfalls durch die Unionsparteien verhindert wurde. Der Versuch, das Gesetz noch kurzfristig und unter Verkürzung der Fristen auf die Tagesordnung des Bundesrats zu setzen scheiterte jedenfalls, sodass mit einer Befassung erst in der nächsten Sitzung des Bundesrats im neuen Jahr am 10.02.2023 zu rechnen ist.

Update vom 10.02.2023

Ein Bundestagsbeschluss zum Schutz von so genannten Whistleblowern hat am 10. Februar 2023 nicht die erforderliche Zustimmung im Bundesrat erhalten. Es kann daher nicht in Kraft treten. Bundesregierung und Bundestag haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um mit den Ländern über einen Kompromiss zu beraten.

Christian Krösch