Stand: 22. April 2018

Der Gesetzgeber hat kürzlich die Vorschriften zur Steuerfreiheit des unentgeltlichen Erwerbs von Unternehmensvermögen mit Rückwirkung auf den 30.06.2016 in weiten Teilen neu gefasst. Die Neuregelung war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BverfG) im Dezember 2014 die Regelungen der §§ 13a, 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt hatte. Wir zeigen in diesem Beitrag auf, welche Neuregelungen des zum 01.07.2107 in Kraft getretenen Gesetzes jetzt zu beachten sind.

1. Begünstigter Erwerb
1.1. Begünstigungsfähiges Vermögen

Wie bisher gilt die Begünstigung für Unternehmensvermögen bei der Erbschaftsteuer nach § 13b Abs. 1 ErbStG für inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines Gewerbebetriebs, eines Freiberuflerbetriebs, eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich oder freiberuflich tätigen Personengesellschaft, eines Komplementäranteils an einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sowie von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland oder im Gemeinschaftsgebiet, bei denen der Erblasser oder Schenker unmittelbar zu mehr als 25 Prozent beteiligt war.

1.2. Begünstigtes Vermögen

Der Erwerb von Unternehmensvermögen soll bei der Erbschaftsteuer nur insoweit privilegiert sein, wie dieses tatsächlich dem Hauptzweck des Unternehmens dient und damit für seinen Fortbestand notwendig ist. Regelmäßig nicht gerechtfertigt ist indes eine Privilegierung von sogenannten Verwaltungsvermögen, welches zwar dem Unternehmen zugeordnet ist, jedoch keinen wesentlichen Beitrag zu seinem Fortbestand leistet. Der Gesetzgeber muss daher eine klare Abgrenzung schaffen zwischen produktiven und nicht produktiven Unternehmensvermögen.

Einer der zentralen Kritikpunkte des BVerfG am bisherigen Recht war die undifferenzierte Behandlung von Verwaltungsvermögen. Unternehmensvermögen war vollumfänglich begünstigt, soweit der Anteil des Verwaltungsvermögens nicht mehr als 50 Prozent ausmachte. Lag der Anteil des Verwaltungsvermögens indes bei über 50 Prozent, galt das Betriebsvermögen insgesamt als Verwaltungsvermögen und war in vollem Umfang nicht begünstigt.

Nach neuem Recht wird begünstigungsfähiges Unternehmensvermögen gemäß § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG nur dann insgesamt nicht begünstigt, wenn es zu 90 Prozent oder mehr aus Verwaltungsvermögen besteht. Bei Unternehmensvermögen mit einem Verwaltungsvermögensanteil von weniger als 90 Prozent erfolgt dagegen eine Bereinigung um nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen.

Zu beachten ist, dass auch nach neuem Recht Verwaltungsvermögen nicht ausnahmslos von der Privilegierung für Unternehmensvermögen ausgenommen wird. Vielmehr gibt es verschiedene Konstellationen, in denen der Gesetzgeber auch beim Erwerb von Verwaltungsvermögen eine Privilegierung für gerechtfertigt erachtet. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Soweit begünstigungsfähiges Vermögen der Erfüllung von Schulden aus Altersvorsorgeverpflichtungen dient, gilt es gemäß § 13b Abs. 3 S. 1 ErbStG bis zur Höhe des gemeinen Wertes dieser Schulden nicht als Verwaltungsvermögen.
  • Finanzmittel zählen nach § 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 5 ErbStG nur insoweit zum Verwaltungsvermögen, soweit sie nach Abzug der Schulden einen Sockelbetrag von 15 Prozent des Wertes des gesamten Betriebsvermögens übersteigen.
  • Beim Erwerb von Todes wegen eröffnet § 13b Abs. 5 ErbStG dem Erben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen durch Umsetzung vom Erblasser geplanter Investitionen nachträglich in begünstigtes Betriebsvermögen umzuwandeln.
  • Nach § 13b Abs. 7 ErbStG wird Verwaltungsvermögen wie begünstigtes Vermögen behandelt, soweit sein Nettowert 10 Prozent des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Wertes des Betriebsvermögens nicht übersteigt.
2. Formen der Begünstigung von Unternehmensvermögen
2.1. Sachliche Steuerbefreiung

Im Kern besteht die Begünstigung des unentgeltlichen Erwerbs von Unternehmensvermögen in der Gewährung von weitreichenden Steuerbefreiungen für begünstigtes Vermögen. Das Gesetz sieht insoweit verschiedene Verschonungsabschläge vor, die die Bemessungsgrundlage für die Erbschafteuer reduzieren.

Bei der Ermittlung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Unternehmensvermögens sieht § 13a Abs. 9 ErbStG zunächst einen besonderen Vorababschlag von bis zu 30 Prozent für sogenannte Familiengesellschaften vor. Erfasst werden hierbei Gesellschaften, bei denen der Gesellschaftsvertrag in den letzten 2 Jahren vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer und für die folgenden 20 Jahre kumulativ nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt:

  • Entnahmen oder Ausschüttungen an Gesellschafter sind auf maximal 37,5 Prozent der den Gesellschaftern zustehenden Gewinnanteile beschränkt.
  • Verfügungen über Anteile sind nur zugunsten von Mitgesellschaftern, Angehörigen oder Familienstiftungen zulässig.
  • Die Abfindung ausscheidender Gesellschafter ist beschränkt auf einen Wert, der unter dem gemeinen Wert des Anteils liegt.

Die besondere Privilegierung des Erwerbs von Anteilen an derartigen Gesellschaften rechtfertigt sich daraus, dass deren wirklicher Wert dem Erwerber aufgrund der geltenden gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen wirtschaftlich nicht in voller Höhe zur freien Verfügung steht.

Hinsichtlich dem nach Abzug eines Vorababschlages nach § 13a Abs. 9 ErbStG noch verbleibenden begünstigten Vermögen kann wie schon nach bisherigem Recht zwischen Regel- und Optionsverschonung differenziert werden. Nach der Regelverschonung ist auf das begünstigte Vermögen gemäß § 13a Abs. 1 ErbStG ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent und nach § 13a Abs. 2 ErbStG ein weiterer Abschlag von bis zu 150.000,00 € vorzunehmen. Alternativ kann der Steuerpflichtige die Optionsverschonung wählen, bei der das begünstigte Vermögen zu 100 Prozent steuerfrei ist.

Wie schon nach bisherigem Recht sind Regel- und Optionsverschonung an die Einhaltung bestimmter Mindestlohnsummen gebunden. Diese dienen als Indikator für den Erhalt von Arbeitsplätzen, der einer der tragenden Gründe für die Privilegierung des Erwerbs von Unternehmensvermögen ist. Die Gewährung der Regelverschonung setzt nach § 13a Abs. 3 ErbStG voraus, dass die Summe der jährlichen Lohnzahlungen des Betriebes oder des Betriebes an dem die Beteiligung besteht innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb – abhängig von der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer – bis zu 400 Prozent die durchschnittliche Lohnsumme der letzten 5 Jahre vor Entstehung der Steuer nicht unterschreitet. Entscheidet sich der Erwerber für die Optionsverschonung, erhöhen sich nach § 13a Abs. 10 S. 1 ErbStG die Lohnsummenfrist auf 7 Jahre und die nach Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer gestaffelten Mindestlohnsummen auf bis zu 700 Prozent. Eine Unterschreitung der Mindestlohnsummen führt rückwirkend zu einer verhältnismäßigen Reduzierung des gewährten Verschonungsabschlags.

Weiterhin setzen Regel- oder Optionsverschonung wie schon nach bisherigem Recht voraus, dass der Erwerber das begünstigte Unternehmensvermögen über einen längeren Zeitraum hinweg behält. Auch dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Erhaltung von Unternehmensvermögen ein tragender Grund für die Privilegierung seines Erwerbs bei der Erbschaftsteuer ist. Im Fall der Regelverschonung muss der Erwerber das erworbene Unternehmensvermögen gemäß § 13a Abs. 6 ErbStG für mindestens 5 Jahre behalten. Bei Wahl der Optionsverschonung erhöht sich die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 6 ErbStG auf 7 Jahre. Eine Verletzung der Behaltensfristen für begünstigtes Betriebsvermögen zieht eine zeitanteilige Nachversteuerung des Erwerbs nach sich.

Ein gravierender Unterschied zum bisher geltenden Recht ergibt sich daraus, dass die Verschonungsabschläge gemäß § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG nur gelten, soweit der Erwerb von begünstigten Vermögen zuzüglich eines weiteren Erwerbs von begünstigten Vermögen innerhalb der letzten 10 Jahre die Grenze von 26 Mio. € nicht übersteigt. Mit dieser Einschränkung reagiert der Gesetzgeber wiederum auf Kritik des BVerfG, das die Verschonung von Unternehmensvermögen ohne besondere Bedürfnisprüfung als unverhältnismäßig eingestuft hat, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgeht. Das jetzige Recht räumt bei Großerwerben daher folgende Alternativen für eine Begünstigung ein:

  • Zum einen kann sich der Erwerber für die Abschmelzregelung des § 13c ErbStG entscheiden. In diesem Fall kommt es hinsichtlich eines die Grenze von 26 Mio. € überschreitenden Erwerbs von begünstigten Vermögen zu einer stufenweisen Abschmelzung des Verschonungsabschlags.
  • Optional kann der Erwerber eine Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG beantragen. Hiernach ist die auf das begünstigte Unternehmensvermögen entfallende Erbschaftssteuer zu erlassen, soweit der nachweist, dass er diese aus seinem verfügbaren Vermögen nicht begleichen kann.
2.2. Tarifverschonung

Beim Erwerb von begünstigungsfähigem Unternehmensvermögen durch natürliche Personen der Steuerklassen II und III greift hinsichtlich dem nicht nach §§ 13a Abs. 1, 13c ErbStG verschonten Teil des begünstigten Vermögens eine besondere Tarifverschonung nach Maßgabe von § 19a ErbStG.

Die Tarifverschonung bewirkt im Ergebnis eine Versteuerung des tarifbegünstigten Vermögens nach den Steuersätzen der Steuerklasse I. Hierzu wird von der tariflichen Erbschaftsteuer gemäß § 19a Abs. 1 ErbStG ein besonderer Entlastungsbetrag in Abzug gebracht.

Die Ermittlung des von der tariflichen Erbschaftsteuer in Abzug zu bringenden Entlastungsbetrages ist in § 19a Abs. 4 ErbStG im Einzelnen geregelt. Zunächst ist für den steuerpflichtigen Erwerb die Steuer nach der tatsächlichen Steuerklasse des Erwerbers zu berechnen und der auf das begünstigte Unternehmensvermögen entfallende Anteil zu ermitteln. Anschließend wird die für den gesamten steuerpflichtigen Erwerb anfallende Steuer nach der Steuerklasse I berechnet und wiederum der auf das begünstigte Unternehmensvermögen entfallende Anteil ermittelt. Der nach § 19a Abs. 1 ErbStG abzuziehender Entlastungsbetrag ist der Unterschiedsbetrag zwischen beiden Werten.

Nach § 19a Abs. 5 ErbStG entfällt auch die für begünstigtes Unternehmensvermögen geltende Tarifverschonung, wenn der Erwerber gegen die Behaltensregeln des 13a Abs. 6 ErbStG verstößt.

2.3. Stundung der Erbschaftsteuer

Soweit beim Erwerb von Todes wegen Erbschaftsteuer auf begünstigtes Vermögens zu entrichten ist, eröffnet § 28 Abs. 1 ErbStG eine weitreichende Stundungsmöglichkeit.

Nach § 28 Abs. 1 S. 1 ErbStG hat der Erwerber einen Anspruch darauf, dass ihm die auf das begünstigte Unternehmensvermögen entfallende Erbschaftsteuer bis zu 7 Jahre gestundet wird. Für das erste Jahr ist diese Stundung gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 ErbStG zinsfrei. Diese Stundungsmöglichkeit soll den unvorhersehbaren Anfall von Erbschaftsteuer beim Erwerb von Todes wegen abfedern.

Die Stundung endet, wenn Erwerber gegen die Lohnsummen- oder Behaltensregelungen verstößt.

3. Fazit

Das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetztes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat letztlich nichts daran geändert, dass der unentgeltliche Erwerb von Unternehmensvermögen in erheblicher Weise bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer privilegiert ist.

Auch weiterhin unterliegt der unentgeltliche Erwerb von Unternehmensvermögen in weiten Teilen nicht der Erbschaft- und Schenkungssteuer. Um allerdings alle sich bietenden Möglichkeiten der Privilegierung auszuschöpfen, empfiehlt es sich, den unentgeltlichen Übergang von Unternehmensvermögen langfristig im Voraus zu planen.

Abzuwarten bleibt, ob die derzeitige Gesetzeslage dauerhaft Bestand haben wird. Viele Kritiker äußern Zweifel daran, dass die Vorgaben des BVerfG mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetztes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wirklich vollständig umgesetzt worden sind. Es ist daher gut vorstellbar, dass auch die derzeit geltende Privilegierung des Erwerbs von Unternehmensvermögen bei der Erbschaftsteuer neuerlich einer Prüfung durch das BVerfG unterzogen wird.

Lars Eichert