Stand: 26. Januar 2023

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 11.05.2022 ein für die Besteuerung von Kryptowährungen wichtiges Dokument veröffentlicht. Das sog. BMF-Schreiben zu  „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“ beinhaltet insbesondere im Hinblick auf die umstrittene Haltefristverlängerung beim Staking und Lending eine erfreuliche Kehrtwende der Finanzverwaltung.

Nachdem wir uns bereits im letzten Jahr mit verschiedenen Fragestellungen zum Staking und Lending von Kryptowährungen auseinandergesetzt haben, nehmen wir das aktuelle BMF-Schreiben zum Anlass, uns mit den sich daraus ergebenden Folgen für Kryptoinvestoren in Deutschland beim Staking und Lending in Form uns dazu häufig gestellter Fragen zu befassen.

Verlängert sich die Haltefrist beim Lending und Staking?

Das BMF hat sich nun klar positioniert. Es war strittig, ob sich bei Kryptowährungen, mit denen Lending bzw. Staking betrieben wurde, die Haltefrist, die verstreichen muss, bevor der Coin steuerfrei verkauft werden kann, gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 S. 4 EStG von einem auf 10 Jahre verlängert. Dies hat das BMF nun klar verneint. Damit führt das Staking oder Lending nicht zu einer Haltefristverlängerung.

Was ist ein BMF-Schreiben? Ändert es die bisherige Rechtslage? Müssen sich alle Finanzämter an das BMF-Schreiben halten?

BMF-Schreiben sind Erlasse, die vom Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den Ländern anlassbezogen herausgegeben werden und die an die weisungsgebundenen, nachgelagerten Finanzbehörden gerichtet sind.

Generell ändert ein BMF-Schreiben nicht die Rechtslage, sondern stellt nur die Ansicht der Verwaltung fest, nach der gleichgelagerte Sachverhalte auch gleich behandelt werden sollen. Dementsprechend kann es sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Steuerpflichtigen vorkommen, dass im Rahmen einer späteren gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird, dass die Behandlung des Sachverhaltes durch das BMF-Schreiben fehlerhaft ist. Im Innenverhältnis der Verwaltung, also für die Sachbearbeiter des Finanzamts, ist die Anweisung aber grundsätzlich verbindlich und in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Dies kann zum einen zum Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine entsprechende Verbescheidung bzw. Änderung von Bescheiden führen als auch zu einem gewissen Vertrauensschutz, soweit der Sachverhalt gemäß dem Schreiben des BMF behandelt wird und sich später Änderungen durch die Rechtsprechung ergeben.

Gilt das BMF-Schreiben auch für die Vergangenheit?

Grundsätzlich ist das BMF-Schreiben noch auf alle offenen Sachverhalte anzuwenden, also Zeiträume, für die noch kein Steuerbescheid erlassen wurde oder deren Steuerbescheide sich in einem Einspruchs- oder Klageverfahren befinden. Soweit bereits Bescheide bestandskräftig, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO stehen, kann ebenfalls noch eine Anpassung an das geänderte BMF-Schreiben beantragt werden.

Schwieriger wird die Angelegenheit, soweit nur eine vorläufige Veranlagung gem. § 165 AO vorgenommen wurde. In diesem Fall kommt es darauf an, was genau im Vorläufigkeitsvermerk geregelt ist. Soweit der Bescheid ohne die vorgenannten Vermerke ergangen ist, ist eine Korrektur nur noch sehr eingeschränkt möglich. In diesem Fall müsste im Einzelfall überprüft werden, inwiefern die Korrekturvorschriften greifen. Dazu können Sie uns gern kontaktieren.

Sind die Rewards aus dem Staking oder Lending steuerpflichtig?

Das BMF geht grundsätzlich davon aus, dass Rewards, soweit sie nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebes anfallen, „auf jeden Fall“ Einnahmen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG darstellen und damit als sonstige Einkünfte zu qualifizieren und zu versteuern sind.

Gibt es auch eine Haltefrist für Rewards aus Staking oder Lending?

Das BMF-Schreiben äußert sich nicht zu der Frage, ob hinsichtlich der erhaltenen Rewards ebenfalls eine Haltefrist bis zu deren Verkauf gilt. Generell kann im privaten Bereich eine Steuerpflicht für die Veräußerungsgewinne allenfalls dann gelten, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 EStG angeschafft wurden.

In Randnummer 42, 47, 65 des BMF-Schreibens geht das Ministerium aber recht pauschal davon aus, dass im Rahmen der Blockerstellung bzw. des Lendings erlangte virtuelle Währungen „angeschafft“ sind und stellt in der vorgehenden Randnummer 33 den „Proof of Work“ dem „Proof of Stake“ gleich. Das BMF scheint auch verschiedentlich nicht zwischen einzelnen Details der Rewards zu unterscheiden.

Damit ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung auch hinsichtlich der erhaltenen Rewards eine Haltefrist annehmen wird. Dies ist rechtlich allerdings kaum vertretbar, da eine Anschaffung gem. § 23 EStG stets auch die „Aufwendung“ von etwas dafür verlangt. In den Fällen, in denen lediglich Wallets bzw. Teile davon bis zum Erhalt der Rewards gesperrt werden, gibt der Steuerpflichtige nichts hin, da er ja stets Inhaber seiner Coins bleibt. Hier z.B. die Dauer der Verfügungsbeschränkung als Aufwendung zu sehen, scheint zu weit gegriffen.

Problematischer könnten Fälle sein, in denen das Wallet nicht nur gesperrt wird, sondern stattdessen tatsächlich Coins überlassen werden und später zwar Coins derselben Währung und (außer den Rewards) gleicher Anzahl, aber nicht dieselben Coins, zurückgegeben werden. In Rn. 23 hat sich das BMF zur Frage der Bestandsermittlung in Wallets mit der Frage der Unspent transaction Output (UTXO) beschäftigt und sich mit einer wertmäßigen Gleichheit begnügt. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung dies im Falle der Rewards ebenso beurteilt.

Da die Angelegenheit noch nicht als geklärt angesehen werden kann, ist die Erfassung der „Anschaffungszeitpunkte“ der Rewards wohl weiter notwendig. Darüber hinaus sollten die verschieden Formen des Staking und Lending im Einzelfall durch einen spezialisierten Steuerberater betrachtet werden, sofern eine möglichst zutreffende Risikoeinschätzung hinsichtlich einer steuerfreien Veräußerung der Rewards gewünscht wird.

Wie werden Staking Rewards ansonsten versteuert?

Hier ist das BMF-Schreiben eindeutig: soweit es sich nicht um einen Gewerbebetrieb handelt, stellen die Rewards auf jeden Fall Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG dar. Der Wert ist der Marktkurs. Soweit ein Wert nicht ermittelbar ist, kann zunächst der Wert mit 0 EUR erfasst werden. Hier lässt das BMF aber offen, wie es dann damit weitergehen soll. Wie zuvor bereits dargestellt, hat das BMF sich nicht explizit für oder gegen eine Haltfrist für Rewards ausgesprochen.

Gibt es für Rewards eine Freigrenze?

Soweit es sich um Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG handelt, gilt eine Freigrenze von 256 EUR pro Jahr. Eine Freigrenze bedeutet, dass bis einschließlich 256 EUR ein Gewinn gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerlich unbeachtlich wäre, ab 256,01 EUR dann aber die kompletten 256,01 EUR zu versteuern sind. Zu beachten ist auch, dass im Rahmen des § 22 EStG eine Zusammenrechnung mit anderen möglichen sonstigen Einkünften, z.B. aus der privaten gelegentlichen Vermietung beweglicher Güter, stattfindet. Hierdurch kann die Freigrenze wesentlich schneller überschritten werden.