Stand: 26. Januar 2023

Aufgrund der Vorgaben aus der EU-Digitalstrategie ist kürzlich eine sehr praxisrelevante Änderung des BGB in Kraft getreten, die ein digitales Vertragsrecht für den Abschluss von Verbraucherverträgen über digitale Produkte in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) überführt und überdies eine Reihe von spezifischen Regelungen auch in anderen Teilen des BGB integriert hat. Wir geben mit diesem Beitrag einen kurzen Überblick.

Die Neuregelungen im BGB

Einen Anstoß zur Neuerung hat der deutsche Gesetzgeber durch die RL 2019/770 der Europäischen Union vom 20. Mai 2019 erfahren. Danach mussten die Mitgliedsstaaten über bestimmte vertragliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen neue und umfängliche Regelungen treffen. In Deutschland gelten diese seit dem 1. Januar 2022. Verortet wird die Materie in Abweichung zum herkömmlichen System des besonderen Schuldrechts bereits in den §§ 327 ff. BGB. Die bisherige Systematik orientierte sich allein an der Rechtsposition, die das jeweilige Rechtssubjekt an dem Gut erwerben wollte. Konsequenz wäre vorliegend gewesen, dass sich kein einheitliches Regelwerk, sondern lediglich Splitter davon in die Regelungen zu den einzelnen Vertragstypen neu ins Gesetz eingefügt hätten. Der Gesetzgeber zieht dieses Mal allerdings die Normen geschlossen „vor die Klammer“ und orientiert sich zuallererst am Gegenstand des Vertrages, nämlich den digitalen Produkten. Im Ergebnis schafft er damit vertragstyp-übergreifende Neuregelungen.

Verträge über digitale Produkte

Auf den speziellen Vertrag kommt es vorliegend somit im Grunde gar nicht an, sondern vielmehr, ob die einmalige oder dauerhafte Bereitstellung eines digitalen Produktes durch einen Unternehmer an einen Verbraucher im konkreten Fall gegeben ist. Dabei dient dem Gesetzgeber der Oberbegriff der digitalen Produkte als Abstrahierung für digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen jeglicher Art. Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form bereitgestellt und erstellt werden, § 327 Abs. 2 S. 1 BGB. Als Beispiele dienen dem Gesetzgeber Video-/Audiodateien, elektr. Bücher/Publikationen und Apps für mobile Endgeräte (wobei diese Aufzählung offensichtlich nicht abschließend ist). Als digitale Dienstleistungen (§ 327 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, Nr. 2) wird eine breite Palette verschiedener Dienstleistungen in Form von SaaS (Software as a Service), Cloud-Diensten, Videostreamings und sozialer Netzwerke erfasst. Eine trennscharfe Differenzierung zwischen den einzelnen Produkten dürfte mit unter schwierig, glücklicherweise auf Grund der ganz überwiegend einheitlichen Rechtsfolgen allgemein allerdings auch nicht erforderlich sein.

Die Gegenleistung

Erforderliches Kriterium für die §§ 327 ff. BGB ist die Entgeltlichkeit, wonach die Vorschriften nur Anwendung auf Verträge finden, bei denen der Verbraucher dazu verpflichtet wird, einen Preis als Gegenleistung zu bezahlen. Ein besonderer Fall ist hier allerdings die als sog. Data as Payment bekannte und bei Unternehmen als allseits beliebte Möglichkeit der vermeintlich kostenlosen Überlassung von Endprodukten gegen personenbezogene Daten. Das neue Vertragsrecht stellt diese Überlassung nun einer Geldzahlung gleich, was zur Folge hat, dass Unternehmen als Anbieter solcher Dienste zukünftig die entsprechenden Verbraucherschutzvorschriften vollumfänglich einhalten müssen. Die neue zivilrechtliche Pflicht des Dienstleisters, die Hauptleistungspflicht aus dem Vertrag eindeutig und konkret zu benennen und genau zu beschreiben, dass mit persönlichen Daten bezahlt wird, tritt ergänzend neben die bereits bestehenden Informationspflichten nach DSGVO.

Fazit

Die Umstellung des Vertragsrechts stellt viele Anbieter solcher digitalen Produkte vor neue Herausforderungen. Die Wahrnehmung des Verbraucherschutzes und jetzt damit einhergehend die Beachtung datenschutzrechtlicher Regelungen und Grundsätze sind in regelmäßigem Turnus Gegenstand von Schadenersatzbegehren höchstrichterlicher Entscheidungen. Eine Verbindung dieser komplexen Schutzbereichen dürfte eine Überprüfung der eigenen Vertragsgestaltung jetzt noch lohnenswerter erscheinen lassen.

Christian Krösch