Stand: 6. April 2023

Im Jahr 2020 hatten in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre rund 26,27 Millionen Personen schon einmal eine Reise über das Internet gebucht. Seitdem dürfte die Zahl voraussichtlich eher weitergewachsen sein. Die Mundpropaganda früherer Zeiten dürfte zu großen Teilen längst der Vergangenheit angehören. Immer mehr Menschen verlassen sich bei ihrer Suche nach dem perfekten Geschenk, dem besten Hotel o.ä. nicht mehr nur auf den Freundeskreis. Vielmehr wird die Möglichkeit des „World Wide Web“ genutzt und aber-hunderte Kommentare und Bewertungen fremder, teils anonymer Nutzer in den Entscheidungsprozess mit einbezogen. Dass dieser vermeintliche Nutzen auch seine Kehrseite hat, sollte dabei unzweifelhaft sein. Denn wer garantiert für die Authentizität der Bewertung?

Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich der BGH bereits wie in der Vergangenheit mehrfach mit Bewertungsportalen auseinandersetzen muss (Urteil vom 09.08.2022 Az.: VI ZR 1244/20). Mehrheitlich begehren die Kläger die Löschung einzelner Bewertungen, da sie sich in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt sehen. Vereinzelt richtet sich das Klagebegehren auf andere Ziele, wie beispielsweise die Erlangung der personenbezogenen Daten des Negativ-Rezensenten.

In dem vorliegend in Rede stehenden Fall handelt es sich eher um einen „Standardfall“, nämlich einen Hotelier, der vom Beklagten die Entfernung mehrerer negativer Rezensionen verlangt, da diese ihn unrechtmäßig in seinem sogenannten Unternehmerpersönlichkeitsrecht verletzen. Da die Beklagte als Bewertungsportal lediglich eine Vermittlungsrolle einnehmen stellten sich die Bundesrichter zunächst die Frage, welchen Grad der Verantwortlichkeit die Plattform treffen könnte. Eine unmittelbarer Störer-Eigenschaft des Portalbetreibers lehnten die obersten Bundesrichter vorliegend überzeugend ab. Eine solche Unmittelbarkeit verlangt von dem Betreiber, dass er sich die Bewertung – durch inhaltliche Veränderung oder ähnliche – selbst zu eigen macht und damit klar nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf der Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat. Dies kann zwar im Einzelfall zu bejahen sein, war hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr habe die Beklagte in sonstiger Weise „wissentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts“ durch die Veröffentlichung beigetragen und sei somit als mittelbarer Störer zu qualifizieren. Eine Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts liegt somit grundsätzlich vor. Dabei betont der BGH, dass die Haftung jedoch nicht übermäßig auf Dritte (hier die Portalbetreiber) erstreckt werden dürfe, die von den Nutzern der Plattform zur Verfügung gestellten Beiträge vor Veröffentlichung auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dabei bewertet der BGH indirekt das Geschäftsfeld solcher Portale als „grundsätzlich rechtlich zulässig und vom Markt gewünscht“. Der vorzunehmende Prüfaufwand darf den Betreiber daher nicht wirtschaftlich gefährden und die Dienstleistung nicht unverhältnismäßig erschweren und somit im Keim zu ersticken drohen.

Interessant ist aber, wann nach Auffassung des BGH eine Prüfpflicht für den Betreiber entsteht. Nach Auffassung des BGH lässt bereits einfaches Bestreiten die Prüfpflicht eines Portalbetreibers entstehen. So reicht es aus, wenn ein Bewerteter pauschal bestreitet, dass es den relevanten Kontakt zum Kunden überhaupt gegeben habe. Diese anlassbezogene Prüfpflicht muss der Portalbetreiber durch Nachfrage beim Rezensenten nachkommen und einen etwaigen geschäftlichen Kontakt nachweisen. Eine solche Abfrage wird jedoch regelmäßig einen Klarnamen erfordern und daher die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen. Insofern empfiehlt es sich, die Umstellung des Bewertungsportals datenschutzrechtlich begleiten zu lassen.

Abschließend kann man zusammenfassen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung ihrer bisherigen Linie treu geblieben ist und diese weiter fortentwickelt. Portale, wie zum Google, werden stärker in die Verantwortung genommen, gegen das Problem von „Fake“-Bewertungen vorzugehen. Allerdings steigt auch die Hürde für Nutzer, negative Rezensionen dauerhaft zu veröffentlichen.

Christian Krösch