Stand: 23. Mai 2020

Am 22.04.2020 veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“. Kernstück dieses Gesetzesentwurfs ist das „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“ – Das Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E).

Im Wesentlich entsteht zukünftig mit der Verwirklichung des VerSanG-E ein Unternehmensstrafrecht, zur angemessenen Reaktion auf Unternehmenskriminalität, dessen Notwendigkeit nicht zuletzt durch den „Dieselskandal“ deutlich wurde. Ansätze für ein Unternehmensstrafrecht gab es erstmal durch einen Gesetzesentwurf der Landesregierung von NRW im Jahre 2013, der jedoch scheiterte. Mit der Veröffentlichung des VerSanG-E rückt die wohl größte Wirtschaftsstrafrechtsreform der letzten Jahre einen Schritt näher.

1. Status quo und Gründe für die Neuregelung

Mit dem Ziel der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ist ferner die Unternehmenssanktionierung Teil des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD vom 12.03.2018 geworden. In der Politik wird die Ahndung mittels des Ordnungswidrigkeitenrechts als nicht mehr zeitgemäß und unzureichend empfunden. Nicht zufriedenstellend sei ebenfalls die uneinheitliche Verfolgung der Unternehmenskriminalität. Das VerSanG-E stellt sogleich eine Abwendung vom Opportunitätsprinzip des bisweilen einschlägigen Ordnungswidrigkeitenrechts dar. Zukünftig sei die Verfolgung nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt, sondern obliegt dem Strafgesetzbuch (StGB) innewohnenden Verfolgungszwang (Legalitätsprinzip). Dieser Umbruch lässt sich bereits allein in der Betitelung der im Gesetz benannten Rechtsfolgen von Zuwiderhandlungen als „Sanktionen“ erkennen. Damit fand klar eine Abhebung und Verschärfung gegenüber der „Buße“ des Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) statt. Des Weiteren konnte mit der Einigung auf „Sanktion“ die viel diskutierte Problematik bezüglich der Titulierung als „Unternehmensstrafrecht“ umgangen werden. Wiederholt stellte sich insbesondere die Frage, inwieweit strafrechtliche Tatbestände von Unternehmen schuldhaft begangen werden können. Dazu wird in dem nachfolgend verlinkten Antrag von mehreren Abgeordneten vom 21.02.2019 entsprechend Stellung bezogen.

Die in § 30 Abs. 2 OWiG bestimmte Obergrenze wird zudem als nicht zufriedenstellend angesehen, da durch die dort genannte Regelobergrenze ungewollt größere und finanzstarke Unternehmen privilegiert werden.

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit der Einführung des Verbandssanktionengesetzes die Sanktionierung auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu stellen und diese angemessen zu ahnden. Die Implementierung gesetzlicher Anreize zur Förderung von Compliance-Maßnahmen und Aufklärungshilfen seitens des Unternehmens, sollen ihren Teil zur vollumfänglichen Aufdeckung der Straftat beitragen.

Nicht zuletzt sollen klarer Verfahrensregelungen die Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen erhöhen.

2. Anwendungsbereich des VerSanG-E

Der Anwendungsbereich des VerSanG-E und die darin enthaltene Sanktionierung erstreckt sich auf Verbände. Verbände i.S.d. Gesetzes sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften. Dabei bezieht sich die Anwendung des VerSanG-E jedoch nur auf Verbänden, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, nach Maßgabe der §§ 21, 22 BGB, gerichtet ist.

3. Voraussetzungen der Sanktionierung

Wesentliche Voraussetzungen für die Sanktionierung sind zum einem die Verbandstat und zum anderen die Verbandsverantwortlichkeit:

3.1 Verbandstat

Eine Verbandstat ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Dabei sind Verbandstaten nicht auf eine bestimmte Deliktsgruppe wie Vermögens- oder Steuerdelikte beschränkt. Eine Verbandstat kann unabhängig vom Täter positiv festgestellt werden. Der Begriff der Verbandstat umfasst jedoch keine Taten des Verbandes, die sich ausschließlich gegen ihn selbst richten wie bspw. die Veruntreuung von Geldern des Unternehmens. Ebenso unbeachtet bleiben sogenannte Exzesstaten, bei denen der fest zur Tat entschlossene Täter aus verbandsfremder Motivation handelt und eine vollumfängliche Compliance ins Leere laufen würde.

Darüber hinaus liegt bei Verbänden mit Sitz in Deutschland gleichermaßen eine Verbandstat gem. § 2 Abs. 2 VerSanG-E bei Begehung von Auslandstaten vor, auf die das deutsche Strafrecht nicht anwendbar ist, aber die Tat nach deutschen Recht eine Straftat wäre und auch am Tatort mit Strafe bedroht ist.

Essenziell für die tatbestandliche Verwirklichung einer Verbandstat ist folglich das kumulative Vorliegen einer Straftat i.S.d. StGB des Verbandes und dessen wirtschaftliche Zielrichtung. Ist indes eine Ordnungswidrigkeit oder keine wirtschaftliche Zielrichtung des Verbandes gegeben, bestimmt sich die Haftung nach wie vor nach § 30 OWiG i.V.m. § 130 OWiG.

3.2 Verbandsverantwortlichkeit

Fällt die Verbandstat in die Verantwortlichkeit des Verbandes, liegt Verbandsverantwortlichkeit i.S.d. § 3 VerSanG-E vor. Dabei können dem Verband u.a. Taten von Leitungspersonen zugerechnet werden. Der Begriff der Leitungsperson ist in § 2 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E legaldefiniert und entspricht dem des § 30 Abs. 1 OWiG.

Jedoch können auch Verbandstaten von Mitarbeitern oder von Betriebsfremden dem Verband zugerechnet werden, soweit diese mit der Wahrnehmung von Angelegenheiten des Verbands betraut waren und Leitungspersonen des Verbandes die Straftat durch angemessene Vorkehrungen hätten verhindern oder wesentlich hätten erschweren können.

4. Verbandssanktionen

Im Wesentlichen lassen sich die Maßnahmen gem. § 8 VerSanG-E in Verbandsgeldsanktionen und Verwarnungen mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt unterteilen. Von der Verfolgung kann jedoch gem. §§ 35 ff. VerSanG-E unter bestimmten Umständen auch abgesehen werden.

4.1 Absehen von der Verfolgung

Gem. § 35 VerSanG-E kann von der Verfolgung bei einer Verbandstat in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E wegen Geringfügigkeit abgesehen werden, wenn zu dem kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Wurde bereits Klage erhoben, kann diese eingestellt werden. In Anlehnung an § 153a Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) kommt ein Absehen von einer öffentlichen Klage gegen den Verband unter Auflagen (§ 12 Abs. 2 VerSanG-E) und Weisungen (§ 12 Abs. 2 und 3 VerSanG-E) in Betracht, soweit diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Verfolgung zu beseitigen.

Ist eine Sanktionierung der Verbandstat im Ausland zu erwarten oder haben den Verband durch die Verbandstat so schwere Folgen getroffen, dass die Verhängung einer Sanktion offensichtlich verfehlt wäre oder ist der Verband von einer Insolvenz betroffen, kann gem. §§ 37 ff. VerSanG-E ebenfalls von der Verfolgung abgesehen werden.

4.2 Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt

Nach Maßgabe der §§ 10 ff. VerSanG-E kann das Gericht den Verband unter Vorbehalt einer Verbandsgeldsanktion voll oder zum Teil unter Einbeziehung von Auflagen und Weisungen verwarnen. Den Auflagen kommt dabei ein Genugtuungscharakter, ähnlich wie bei § 56b StGB, zu. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass Weisungen, insbesondere die Erarbeitung, Überprüfung oder Ausweitung von Compliance-Maßnahmen, die zu Verbesserung der Prävention von Verbandstaten innerhalb des Verbandes dienen, sein können. Sie sind durch den Verband selbständig umzusetzen und durch eine sachkundige Stelle mittels einer Bescheinigung nachzuweisen. Je nach Art und Umfang der Weisung entsprechen Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte sowie Unternehmensberater dem Kriterium einer sachkundigen Stelle. Die Vorbehaltszeit, die einer strafrechtlichen Bewährung gleicht, bewegt sich in einem zeitlichen Rahmen von mindestens einem bis maximal fünf Jahren.

4.3 Verbandsgeldsanktion

§ 9 VerSanG-E regelt die Höhe der Verbandsgeldsanktionen. Hierbei wird zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Verbandstat unterschieden. Des Weiteren ist der durchschnittliche Jahresumsatz maßgeblich für die Höhe der Sanktion. Das BMJV kategorisiert in seinem Referentenentwurf in Verbände mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von weniger und mehr als 100 Mio. Euro. Bei einer vorsätzlichen Verbandstat eines Verbands, dessen durchschnittlicher Jahresumsatz 100 Mio. Euro nicht überschreitet, beläuft sich die Geldsanktion von mind. 1.000 Euro bis max. 10 Mio. Euro. Bei einer fahrlässig begangenen Verbandstat verringert sich die Höhe des Sanktionsgeldes auf mind. 500 Euro bis max. 5 Mio. Euro.

Überschreiten Verbände die vom Gesetzgeber vorgesehene Jahresumsatzgrenze von durchschnittlich 100 Mio. Euro, so beträgt die höchste Geldsanktion in Abhängigkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit max. 10% bzw. 5% des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Bei der Festsetzung des Höchstmaßes orientierte man sich an § 81 Abs. 4 S. 2 GWB. Relevant bei der Ermittlung des durchschnittlichen Jahresumsatzes ist der weltweite Umsatz in den letzten drei Geschäftsjahren, die der Verurteilung voraus gehen. Kann der maßgebliche Jahresumsatz nicht sicher festgestellt werden, so wird dieser geschätzt. In Anlehnung an den kartellrechtlichen Unternehmensbegriff wird der Verband dabei als Wirtschaftseinheit angesehen. Nicht berücksichtigt werden jedoch die Umsätzen von Verbänden, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.

4.4 Naming and shaming

Bei Vorliegen einer großen Zahl von Geschädigten, sieht der Entwurf des Verbandssanktionengesetzes neben der in § 8 VerSanG-E benannten Sanktionen, ebenso die Option einer öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes vor. Die Norm zielt darauf ab, die von der Verbandstat betroffenen Personen über die für sie relevanten Tatsachen zu informieren. Zwar stellt das BMJV in der Gesetzesbegründung klar, dass es selbstverständlich nicht Sinn und Zweck der Norm sei den betroffenen Verband – so wörtlich – „an den Pranger zu stellen“, aus Unternehmenssicht kommt diese Nebenfolge jedoch einer zusätzlichen Sanktion gleich.

5. Sanktionsmildernde Compliance-Maßnahmen

Neben den in § 15 VerSanG-E aufgezählten Umständen rund um die begangene Verbandstat und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verbandes, kommt bei der Bemessung der Verbandssanktionen auch den Compliance-Management-Systemen (CMS) Bedeutung zu. CMS zielen darauf ab, Fehlverhalten von vornherein zu unterbinden. Dabei unterscheidet das Gesetz zwei unterschiedliche Zeitpunkte. Zum einen stellt sich die Frage, wie schwerwiegend das Fehlen angemessener Vorkehrungen zu Vermeidung von Verbandstaten vor der Tatbegehung waren, und zum anderen wird nach der Tatbegehung, neben dem Aufdeckungsbemühen des Verbandes, gleichermaßen die Überprüfung und Weiterentwicklung der Compliance-Maßnahmen rentiert. Einem effektiven CMS wird zukünftig eine besondere Bedeutung zukommen, denn zur Vermeidung bzw. Minderung der Sanktionierung ist es überaus ratsam für Unternehmen ihre Compliance-Maßnahmen stets zu überprüfen und ggf. verbessern.

6. Bedeutung von verbandsinternen Untersuchungen

Erstmals soll mit dem VerSanG-E ein rechtlicher Rahmen für interne Untersuchungen geschaffen werden. „Internal Investigations“ bezeichnen die Aufklärungsbemühungen des Verbandes. Verbandsinternen Untersuchungen können sowohl vom Verband selbst durchgeführt werden als auch von einem von ihm beauftragten Dritten. Liegen die Voraussetzungen für interne Untersuchungen gem. § 17 VerSanG-E vor und wurden die Ergebnisse rechtzeitig – vor Eröffnung des Hauptverfahrens – offenbart, so werden interne Untersuchungen mit einer Reduzierung des Sanktionsrahmens um 50% honoriert. Ist dies der Fall, so ist gem. § 50 Abs. 3 VerSanG-E ein Sanktionsbescheid ohne vorherige öffentliche Hauptverhandlung festzusetzen. Damit eröffnet sich im Interesse des Unternehmens rein theoretisch die Möglichkeit das Sanktionsverfahren an der Öffentlichkeit vorbei zu führen.

Weiter kann die Verfolgungsbehörde bis zum Abschluss der verbandsinternen Untersuchung von der Verfolgung des Verbandes absehen.

Eine Milderung nach § 18 VerSanG-E kommt beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen in Betracht:

Der Verband oder der beauftragte Dritte muss einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung geleistet, umfassend mit der Verfolgungsbehörde kooperiert und dieser jegliche erforderliche Dokumente und Abschlussberichte zur Verfügung gestellt und die Untersuchung nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens durchgeführt haben. Bezüglich des faireren Verfahrens unterliegt der Untersuchende einer Hinweisobliegenheit. Insbesondere sind Mitarbeiter vor ihrer Befragung darauf hinzuweisen, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden dürfen. Dementsprechend hat der Mitarbeiter ein  Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 Abs. 1 StPO und darf einen Anwalt oder ein Mitglied des Betriebsrats zu der Befragung konsultieren.

Zur Vermeidung eines Interessenkonflikts ist zusätzlich darauf zu achten, dass derjenige, der die Untersuchung führt nicht personengleich mit dem Verteidiger des Unternehmens sein kann. Diese Regelung ist jedoch als kritisch anzusehen, denn so unterliegen Aufzeichnungen über Befragungen aus verbandsinternen Untersuchung nicht dem Beschlagnahmeschutz, wenn diese nicht durch den Verteidiger durchgeführt wurden. Aber auch dabei kann eine Interessenkollision stattfinden. Transparenz ist in der heutigen Zeit wichtig, aber dem entgegen steht die Bedeutsamkeit des Vertrauensschutzes des Unternehmens.

8. Auswirkungen der Beschuldigtenstellung im Sanktionsverfahren

Teil 5 des VerSanG-E umfasst in den §§ 23 ff. VerSanG-E die Zuständigkeiten und Verfahrensvorschriften des Sanktionsverfahren gegen den Verband. Künftig finden die StPO und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Anwendung, soweit das VerSanG-E nichts anderes bestimmt. Gesetzlich normiert ist, dass der betroffene Verband, vertreten durch seine gesetzlichen Vertreter, die Stellung eines Beschuldigten einnimmt und diesbezüglich weitestgehend die Vorschriften der StPO anzuwenden sind. Daraus resultiert das Recht auf rechtliches Gehör, die Wahl eines Verteidigers und nicht zuletzt steht es dem gesetzlichen Vertreter des Verbandes, entsprechend § 136 Abs. 1 S. 2 StPO, bei der Vernehmung frei sich nicht zu Sache zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Eine sofortige Vorführung gem. § 134 StPO ist ausgeschlossen.

Aus Unternehmenssicht kommt § 33 Abs. 2 VerSanG-E eine besondere Stellung zu. In Anlehnung an § 55 Abs. 1 StPO kann der gesetzliche Vertreter in anderen Verfahren, in denen er als Zeuge aussagen soll, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht gebraucht machen. Demgemäß kann er die Auskunft auf jene Fragen verweigern, die den Verband in die Gefahr ziehen würden für eine Verbandstat verantwortlich gemacht zu werden. Das Auskunftsverweigerungsrecht wird jedoch eingeschränkt durch die Bestimmung des § 49 VerSanG-E. Auf Verlangen des Gerichts oder der Verfolgungsbehörde sind die Jahresumsätze der letzten drei Geschäftsjahre offenzulegen und entsprechende Unterlagen herauszugeben.

Weiterhin prekär gestaltet sich die Tatsache, dass dem Verband erst dann das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 StPO zugutekommt, wenn dieser die Stellung eines Beschuldigten hat, was nicht der Fall ist, wenn vor Einleitung des Ermittlungsverfahren eine interne Untersuchung stattgefunden hat. Entsprechend der Gesetzesbegründung sind Aufzeichnungen über Befragungen im Rahmen von verbandsinternen Untersuchen nur vor einer Beschlagnahme geschützt, wenn diese einem von § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO-E geschützten Vertrauensverhältnis zuzurechnen sind.

9. Rückblickender Vergleich mit dem inoffiziellen Referentenentwurf des BMJV vom 15.08.2019

Die erste und damit auffälligste Änderung ist die Betitelung des Gesetzes. War das Verbandssanktionengesetz noch im August 2019 Teil des Referentenentwurfes zum „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“, so wurde jüngst ein „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vorgelegt.

Der Anwendungsbereich des Verbandssanktionengesetzes wurde beschränkt auf Verbände, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet sind. Außenvorgelassen werden dementsprechend Vereine und ehrenamtliche Organisationen. Sie unterliegen jedoch weiterhin dem OWiG.

Der Gesetzgeber nahm eine weitere terminologische Änderung vor und ersetzte „Verbandsstraftaten“ durch „Verbandstaten“.

Viel und teilweise heftig diskutiert waren die §§ 8 Nr. 3 und 14 VerSanG-E a.F., denn diese beinhalteten die Verbandsauflösung als eine von drei Sanktionsmöglichkeit. Zwar war die Verbandsauflösung als Folge einer Verbandstat als Ultima Ratio angedacht, diese sieht das aktuelle VerSanG-E erwartungsgemäß jedoch nicht mehr vor.

Eine weitere Änderung des Gesetzeswortlaut, welcher ein bestimmender Charakter zugutekommt, geht aus § 17 Abs. 1 VerSanG-E hervor. Demnach „soll[en]“ Verbandssanktionen bei verbandsinternen Untersuchungen künftig vom Gericht gemindert werden. Indes hieß es in § 18 Abs. 1 VerSanG-E a.F.: „Das Gericht kann die Verbandssanktionen mildern, wenn[…]“. Dadurch wird gleichermaßen die Notwendigkeit einer umfassenden und sachdienlichen Kooperation seitens der Unternehmen deutlich.

10. Ausblick

Noch handelt es sich bei dem Verbandssanktionengesetz um einen Referentenentwurf.  Es ist jedoch unzweifelhaft, dass das Gesetz auch erlassen wird. Aus temporärer Sicht ist es bis zum finalen Inkrafttreten noch ein weiter Weg, der schätzungsweise drei Jahre beanspruchen dürfte. Vorerst hat das BMJV den Verbänden bis zu 12.06.2020 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Anschließend muss das „Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“ formell wie materiell verabschiedet werden. Art. 15 dieses Gesetzes sieht ein Inkrafttreten zwei Jahre nach Verkündung vor. Damit soll gewährleistet werden, dass den Unternehmen ausreichend Zeit zur Überprüfung von internen Abläufen und Implementierungen ggf. weitere Compliance-Maßnahmen gegeben wurde. Angesichts des zeitlichen Rahmens bis zum Inkrafttreten bietet sich eine frühzeitige Maßnahmenergreifung an, denn effektive CMS sind zumeist so individuell wie der Verband selbst und zahlen sich letztlich, im wahrsten Sinne des Wortes, aus.

Nichtsdestotrotz darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Kartellverfahren weiterhin Vorrang gegenüber den Sanktionsverfahren haben, soweit eine Tat gleichzeitig eine Verbandstat als auch eine Kartellzuwiderhandlung darstellt.

Christian Krösch