Stand: 9. April 2020

Seit dem Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 divergieren sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur die Ansichten darüber, ob Verstöße gegen die DSGVO mithilfe der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) abgemahnt werden können oder nicht. Zuletzt musste sich das OLG Stuttgart mit dieser stark diskutierten Frage befassen, da ein Online-Händler seine datenschutzrechtlichen Informationspflichten nicht erfüllte. Letztlich kam das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 27.02.20220 (Az.: 2 U 257/19)  zu der Entscheidung, dass Verstöße gegen die DSGVO durch Zuhilfenahme der Regeln des UWG geahndet werden können.

1. Die Entscheidung des OLG Stuttgart
Der Streitfall

Im Streitfall bot der Beklagte auf der Online-Plattform eBay als gewerblicher Händler Reifen zum Sofortkauf an. Mangels einer Datenschutzerklärung wurde der Beklagte vom IDO Verband (Interessenverband für das Recht- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) abgemahnt.

Klagebefugnis des Verbandes

Unklar war die Frage, ob der Verband überhaupt klagebefugt ist. Letztlich sprach sich das Gericht für die Klagebefugnis des Verbandes aus, mit der Begründung, die Klagebefugnis des Verbandes gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG füge sich in den Wertungsrahmen der DSGVO ein.

Kollision von TMG und DSGVO

Zunächst entschied das Gericht, dass das nationale Telemediengesetz (TMG), insbesondere § 13 TMG, auf den sich der Hauptantrag stützte, in der vorliegenden Konstellation von den Bestimmungen der DSGVO, die gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbare Geltung beansprucht, verdrängt wird. Dies entspricht auch dem Hinweisbeschluss des OLG Hamburg vom 10.12.2019 (Az. 15 U 90/19).

Ahndung von Verstößen gegen die DSGVO mithilfe der UWG-Regeln?

Bezüglich des Hilfsantrags hatte das Gericht die viel diskutierte Frage zu beantworten, ob Verstöße gegen die DSGVO durch Zuhilfenahme der Regeln des UWG geahndet werden können.

Nach der Einschätzung der Richter sind die Regelungen über die Rechtsbehelfe, Sanktionsmöglichkeiten sowie Haftungsmaßstäbe in den Art. 77-84 DSGVO nicht abschließend. Eine EU-Verordnung könne durch nationale Normen ergänzt werden, insbesondere, wenn diese die Rechtsdurchsetzung erleichtern. Selbstverständlich dürfen die Normen die unmittelbare Anwendung der Verordnung nicht vereiteln. Insoweit widerspricht das Urteil des Berufungsgerichts der erstinstanzlichen Entscheidung. Folglich könnte sich ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG und Art. 13 DSGVO ergeben.

Ist Art. 13 DSGVO eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG?

Für eine Ahndung nach den Regeln des Lauterkeitsrechts bedarf es einer unzulässigen geschäftlichen Handlung nach § 3 Abs. 1 UWG. Eine solche liegt gem. § 3a UWG auch vor, wenn einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt wird, die auch dazu bestimmt ist das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen für die Interessen der Verbraucher, sonstigen Marktteilnehmer oder Mitbewerber spürbar sind.

Maßgebliche Essenz des Urteils ist, dass das Gericht Art. 13 DSGVO als eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG ansieht. Aufgrund dessen, dass der Händler, der Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Abs. 7 DSGVO ist, auf der Online-Plattform keine Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu Verfügung stellte, liegt ein Verstoß gegen Art. 13 DSGVO vor und folgerichtig eine unzulässige geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG. Dieser Verstoß gegen Art 13 DSGVO bewertet das Gericht auch als spürbar.

2. Rückblick auf vorangegangene Entscheidungen

Mit der Entscheidung des OLG Stuttgart überwiegt aktuell die Zahl der Gerichte, die Zuwiderhandlungen gegen datenschutzrechtliche Pflichten als abmahnfähig nach den Vorschriften des UWG halten.

Erstmals wurde die wettbewerbsrechtliche Relevanz derartiger Verstöße vom LG Würzburg (Beschl. v. 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18) beurteilt, welches Verstöße gegen die DSGVO nach den Vorschriften des UWG als abmahnfähig ansieht.

Konkreter positionierten sich dementsprechend das OLG Hamburg (Urt. v. 25.10.2018 – Az. 3 U 66/17) sowie das OLG Naumburg (Urt. v. 07.11.2019 – Az. 9 U 6/19). Beide Urteile bejahen die Möglichkeit Verstöße gegen die DSGVO unter Zuhilfenahme des Lauterkeitsrechts abzumahnen, soweit es sich bei der verletzten Regelung um eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG handelt.

Dem entgegen steht die Entscheidung des LG Bochum vom 07.08.2018 (Az. I-12 O 85/18), aus welcher hervorgeht, dass Zuwiderhandlungen gegen die Pflichten der DSGVO nicht wettbewerbsrechtlich verfolgt werden können, da die Reglungen der Art. 77-84 DSGVO abschließend seien. Dieser Auffassung schließt sich das LG Wiesbaden mit seinem Urteil vom 05.11.2018 (Az. 5 O 214/18) an. Die erstinstanzlichen Entscheidungen des LG Magdeburg (Urt. v. 18.01.2019 – Az. 36 O 48/18)   und des LG Stuttgarts (Urt. v. 20.05.2019 – Az. 35 O 68/18 KfH) verneinen ebenfalls die Geltendmachung und Durchsetzbarkeit von Verstößen gegen die DSGVO im Wege des Wettbewerbsrechts.

Auch in der Literatur herrscht Uneinigkeit. Während Köhler (in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG § 3a Rn. 1.40a) gleichermaßen die Anwendung von § 3a UWG ausschließt, da die Bestimmungen der DSGVO zur Rechtsdurchsetzung abschließend seien, hält Wolff (in ZD 2018, 248) die Anwendung des § 3a UWG wiederum für möglich.

3. Ausblick

Alle aufgeworfenen grundsätzlichen Streitfragen jedoch noch nicht final beantwortet. Rechtssicherheit wird diesbezüglich nur eine höchstrichterliche Entscheidung bringen. Aufgrund dessen, das der Rechtsstreit Fragen von grundlegender Bedeutung aufwirft, wurde die Revision zum BGH zugelassen. Durch das Urteil des OLG Stuttgarts könnte bis dahin jedoch die Bereitschaft zur Abmahnung, insbesondere durch Wirtschaftsverbände steigen. Um einer unter Umständen erheblich kostspieligen Abmahnung zu entgehen, sollten Unternehmer Vorsicht walten lassen und die außenwirksamen Vorgaben der DSGVO gewissenhaft umsetzen sowie im Zweifel Rechtsrat einholen.

Christian Krösch