Stand: 18. Juni 2023

Nach dem Wortlaut und den Erwägungsgründen der DSGVO kommt der Figur des Datenschutzbeauftragten eine Schlüsselrolle für die Durchsetzung der Ziele der DSGVO zu. Demnach zielt die Funktion des Datenschutzbeauftragten darauf ab, innerhalb der Union ein hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und zu diesem Zweck für eine einheitliche Anwendung der Vorschriften zum Schutz der Verarbeitung personenbezogener Daten zu sorgen. Dafür ist es aber notwendig, dass die Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausgeübt werden können. Was gilt, wenn verschiedene Normen mit unterschiedlichen Regelungsbereichen sich gegenseitig überlagern war vor kurzem Frage in einem Vorabentscheidungsverfahren des EuGH.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen rechtshängiger Streitigkeiten mehrere Vorlagefragen gestellt, bei denen es sich zum Großteil um Fragen im Verhältnis von DSGVO und BDSG gehandelt hat. Im Vorabentscheidungsverfahren (C 453/21) war Streitpunkt die potentiell rechtswidrige Abberufung des internen Datenschutzbeauftragten auf Grund einer potentiellen Interessenkollision. Der zum Datenschutzbeauftragten ernannte Beschäftigte gehörte zeitgleich dem Betriebsrat an und übte in der Gesellschaft die Aufgabe des Betriebsratsvorsitzenden aus. Für die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde Grund genug, Vermutungen hinsichtlich einer Interessenkollision aufkommen zu lassen. Die Behörde forderte das Unternehmen daher auf, den Datenschutzbeauftragten abzuberufen. Gegen seine Abberufung wehrte sich der Beschäftigte bis zur Aussetzung des Rechtsstreits auf Grund der Vorlagefragen durch das BAG erfolgreich.

Entscheidende Frage war, ob die DSGVO einer strengeren nationalen Regelung zur Abberufung eines Datenschutzbeauftragten entgegensteht. Allgemein genießt das Europarecht einen sog. Anwendungsvorrang vor nationalen Rechtsnormen, wonach diese im Kollisionsfall unanwendbar sind.  Nach der DSGVO kann ein Datenschutzbeauftragter grundsätzlich nicht aus Gründen abberufen werden, die sich auf die Erfüllung seiner Aufgaben beziehen (Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO). Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geht allerdings noch weiter und lässt eine Abberufung nur aus wichtigem Grund zu.

Nach Auffassung des EuGH steht es grundsätzlich jedem Mitgliedsstaat frei, strengere Vorschriften für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten vorzusehen, sofern diese mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der DSGVO vereinbar ist. Eine Abberufung müsse dabei insbesondere möglich sein, wenn der Datenschutzbeauftragte nicht mehr die erforderliche berufliche Qualifikation aufweist oder er seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt. Insbesondere die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten dürfe die strengere Norm nicht tangieren. Das Gericht stellt fest, dass ein strengerer Schutz des Datenschutzbeauftragten, der seine Abberufung verhindern würde, wenn er aufgrund eines Interessenkonflikts seine Aufgaben nicht oder nicht mehr in vollständiger Unabhängigkeit wahrnehmen könnte, die Verwirklichung dieses Ziels beeinträchtigen würde.

Ob ein Interessenkonflikt im streitgegenständlichen Verfahren vorliegt hat der EuGH unliebsamer Weise offen gelassen. Danach sei es Aufgabe der nationalen Gerichte konkret und für den Einzelfall festzustellen, ob ein Interessenkonflikt vorliegt. Der EuGH bleibt hinsichtlich der Frage völlig allgemein und stellt fest, dass die Wahrnehmung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten und die Wahrnehmung anderer Aufgaben beim Verantwortlichen oder seinem Auftragsverarbeiter nach der DSGVO grundsätzlich nicht unvereinbar sind.

Derartig generelle Ausführungen helfen indes nicht, die Zwickmühle für Arbeitgeber und Beschäftigte aufzulösen. So stellen die nationalen Arbeitsgerichte seit längerem darauf ab, dass es im Rahmen von Betriebsratstätigkeit und Datenschutz nicht zu Interessenkonflikten zwischen beiden Ämtern kommen muss. Im vorgelegten Fall hatte aber eine Aufsichtsbehörde diesen aber gerade befürchtet.

Das Urteil des EuGH zum Vorabentscheidungsverfahren des Bundesarbeitsgerichts verhilft dem Datenschutzbeauftragten zu einer weiteren Stärkung seiner Rechtsstellung. Das nationale Recht stellt strengere Anforderungen an die Abberufung eines Datenschutzbeauftragen, als es die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorgibt. Insoweit bleibt abzuwarten, wie das BAG die Rechtsstreitigkeiten letztendlich entscheidet. In Hinblick auf die eingeschlagene Entwicklung sollten Unternehmen jedoch gut abwägen, ob sie nicht einen externen Datenschutzbeauftragten für die Gesellschaft in Betracht ziehen. Der Nachweis über die erforderlichen Abberufungsgründe der § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG i.V.m. § 626 BGB wird Arbeitgebern wohl selten gelingen.

Christian Krösch